Art der Veröffentlichung: Rezension einer gerichtlichen Entscheidung (Fassung unten = vollständiges Manuskript der später gekürzten Veröffentlichung)

Ort der Veröffentlichung: Neues Polizei Archiv (NPA), Heft 11/1998 Nr. 341

Beweisfähigkeit von Urkunden

S a c h v e r h a l t :

Ein Bürger des Freistaates Bayern versah einen Kartenvordruck, der für behördlich genehmigte Gebührenbefreiungen im öffentlichen Parkraum dienen sollte, mit einem amtlichen Stempel nebst Dienstsiegel. Den Vordruck ließ er jedoch hinsichtlich des Namens des Berechtigten ebenso unausgefüllt wie hinsichtlich der Nummer des Genehmigungsbescheides. Der Bürger wurde angezeigt und im nachfolgenden Strafverfahren vom Amtsgericht wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass die fehlenden Angaben im Vordruck die Beweisfähigkeit des Schriftstückes nicht berührten.

Auf die Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hob das Bayerische Oberste Landesgericht das erstinstanzliche Urteil auf.

Strafgesetzbuch - StGB - § 267

An der Beweisfähigkeit einer Urkunde fehlt es, wenn in einem Berechtigungsschein für einen Parkplatz die in eigenen Spalten vorgesehene Genehmigungsnummer und der Name des Berechtigten nicht eingetragen sind.

Bayerisches Oberstes Landesgericht

(Beschluss v. 1.4.1998 - 5 St RR 16/98 - Verlags-Archiv Nr. 341)

A u s d e n G r ü n d e n :

Die Staatsanwaltschaft hat in Ihrer Stellungnahme, in der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt, folgendes ausgeführt:

Die Auffassung des Amtsgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Eine Urkunde muss eine Erklärung eines menschlichen Gedankens verkörpern, das ist hier die Bestätigung, dass eine bestimmte Person (Unterstreichung im Original) berechtigt sei, gebührenfrei zu parken. Ohne die Angabe, wer der Berechtigte sein soll, stellt die Karte noch keine Urkunde dar.

Der Schuldspruch wegen Urkundenfälschung ist daher aufzuheben.

Eine freisprechende Entscheidung kann jedoch nicht ergehen, weil die Tat unter dem Gesichtspunkt des Diebstahls und versuchten Betrugs (insoweit wurde das Verfahren nach § 154 a StPO beschränkt) zu überprüfen ist.

Der Senat teilt diese Auffassung.

A n m e r k u n g :

Das Bayerische Oberste Landesgericht behandelt in seinem Beschluss aus dem Problemkreis der Urkundenfälschung eine Thematik des materiellen Strafrechts. Die praktische Bedeutung der Entscheidung für die Polizei liegt in der näheren Differenzierung der Beweisfähigkeit von Urkunden und damit gleichzeitig in dem Erkennen der möglichen materiellen Rechtsgrundlage für strafrechtliche Ermittlungsverfahren.

Urkunden sind nach einer gängigen Definition verkörperte Gedankenerklärungen, die zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache geeignet und bestimmt sind und den Aussteller erkennen lassen.

Problematisch ist, ob dem vom Angeklagten hergestellten Schriftstück diese Urkundenqualität überhaupt zukommt. Eine behördliche Genehmigung stellt grundsätzlich eine Urkunde dar, denn sie fixiert die Erklärung der Stadt über die Erteilung einer Genehmigung und die Erklärung des Inhabers der Genehmigung, er sei nach erfolgreichem Antragsverfahren ein rechtmäßiger Inhaber der geforderten Genehmigung. Eine solche Urkunde ist zum Beweis dafür bestimmt, dass ein Gebührenbefreiungstatbestand für eine bestimmte Person vorliegt.

Enthält eine derartige Befreiung keinen Namen, so ist auch keine Gebührenbefreiung gegeben. Eine Blankobefreiung gibt es in einem personenbezogenen Genehmigungsverfahren nicht. Weder kann ein solcher unvollständig ausgefüllter Vordruck Beweis dafür erbringen, dass eine Genehmigung erteilt wurde, noch dafür, dass eine bestimmte Person Inhaber einer solchen Befreiung geworden ist.

Die Tatsache allein, dass die Behörde durch Stempel und Dienstsiegel als Ausstellerin erkennbar ist genügt eben gerade nicht dafür, einen wie auch immer gearteten Beweis zu erbringen (wofür ?). Dies hätte auch ein Amtsrichter erkennen können. Fraglich bleibt nur, warum nicht bereits die Anklage auf die Tatbestände des Diebstahls und versuchten Betruges beschränkt worden ist.

Hochschuldozent Dieter Müller, Rothenburg/Oberlausitz

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